Rechtsanwaltltin: „Eine größere Ohrfeige als diese für die Kammer des Landgerichts Darmstadt hat es in Deutschland noch nicht gegeben.“
Unschuldig: Horst Arnold (rechts) musste fünf Jahre wegen Vergewaltigung ins Gefängnis. Am Dienstag hat ihn das Landgericht Kassel in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen.
Unschuldig: Horst Arnold ( musste fünf Jahre wegen Vergewaltigung ins Gefängnis. Am Dienstag hat ihn das Landgericht Kassel in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen.
Er hat fünf Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen und ist nach eigenen Worten durch die Hölle gegangen. Nun aber ist der 52 Jahre alte frühere Lehrer Horst Arnold. vom Vorwurf der Vergewaltigung einer Kollegin freigesprochen worden. Das mutmaßliche Opfer habe gelogen, befand das Kasseler Landgericht am Dienstag zum Ende des neu aufgerollten Prozesses. Der Vorsitzende Richter Jürgen Dreyer betonte: „Den Angeklagten sehen wir nachweislich als unschuldig an.“
Zuschauer im Gerichtssaal applaudierten bei diesen Worten. Das Urteil verband Richter Dreyer mit einer ordentlichen Schelte der Kollegen in Darmstadt, die Horst Arnold verurteilt hatten. Dieser sagte in seinem Schlusswort über die Ereignisse seit der angeblichen Tat im Jahr 2001 im südhessischen Reichelsheim: „Die letzten zehn Jahre waren die Hölle.“ Er kehrt nun zurück ins Leben.
Im Jahr 2002 hatte das Landgericht Darmstadt Arnold – unter Kollegen unbeliebt, weil Alkoholiker und aggressiv – zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er seine damals 36 Jahre alte Kollegin vergewaltigt habe. Dies war eine ungewöhnlich hohe Strafe für einen Ersttäter, wie der Kasseler Richter Dreyer gestern befand. Und weil der Lehrer immer wieder seine Unschuld beteuerte, wurde er nicht vorzeitig aus der Haft entlassen. „Sie haben die ganze Härte des Strafvollzugs kennengelernt“, betonte Dreyer.
Verteidiger Hartmut Lierow war es schließlich, der nach der abgesessenen Strafe neue Beweise suchte und sie auch fand: Demnach hat das vermeintliche Opfer gelogen – und zwar immer und immer wieder.
Das sah nun auch das Kasseler Gericht so. Die Frau habe ein „an sich kaum glaubhaftes Geschehen geschildert“, betonte Richter Dreyer. „Es ist davon auszugehen, dass die Zeugin gelogen und die Geschichte von vorn bis hinten erfunden hat.“ Damit nicht genug: Sie sei in der Lage, „die aberwitzigsten Geschichten zu erfinden“, hieß es.
Die Georg-August-Zinn-Schule in Reichelsheim. Hier soll der freigesprochene Horst Arnold eine Kollegin vergewaltigt haben. Eine Anschuldigung, die nun fallen gelassen wurde.
Die Georg-August-Zinn-Schule in Reichelsheim. Hier soll der freigesprochene Horst Arnold eine Kollegin vergewaltigt haben. Eine Anschuldigung, die nun fallen gelassen wurde.
So hatte sie 2007 an der Lichtenberg-Schule in Ober-Ramstadt (Kreis Darmstadt-Dieburg) für Schlagzeilen gesorgt: Sie beschuldigte damals andere Pädagogen, einen Giftanschlag auf sie verübt zu haben. Einmal habe die Frau nach der angeblichen Tat eine Tochter erfunden, hieß es – oder behauptet, ihren angeblich im Koma liegenden Freund zu betreuen, um eine Versetzung zu erreichen.
„Sie setzte Lügen gezielt ein, um berufliche Vorteile zu erzielen“, so Dreyer. Über die Tage nach der angeblichen Vergewaltigung sagte sie, sie sei unter Schmerzen zur Schule gegangen. Tatsächlich beobachteten Zeugen sie beim Tennisspielen und auf einem Frauenstammtisch.
Ein mögliches Motiv für den Vergewaltigungsvorwurf könnte gewesen sein, dass die Frau – ebenfalls Biologielehrerin – an die Stelle ihres Kollegen kommen wollte. Zudem gab es viele Ungereimtheiten in den Aussagen der Frau. Im neuen Prozess hatte sie die Aussage verweigert. Gegen sie ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft Darmstadt wegen Freiheitsberaubung. Ihre Anwältin Susanne Renner, die gefordert hatte, das Darmstädter Urteil aufrecht zu erhalten, prüft nun den Gang in die Revision. „Das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht jeder vergewaltigten Frau“, sagte sie.
Auf jeden Fall ist der Freispruch ein Schlag ins Gesicht der Darmstädter Richter, die Horst A. im Jahr 2002 verurteilten. Der Kasseler Richter Dreyer lies den Kollegen ordentlich die Leviten: „Die Aussage der Belastungszeugin gilt so lange als falsch, bis diese These nicht mehr zu halten ist“, sagte er. Im Fall von Horst Arnold. habe das Landgericht Darmstadt 2002 grob gegen dieses Vorgehen verstoßen. „Das geht so nicht“, kritisierte der Vorsitzende Richter.
Außer der Verteidigung hatte auch die Staatsanwaltschaft in dem neuen Verfahren einen Freispruch gefordert. „Wenn man alle Mosaikstücke zusammen sieht, ist die Täterschaft als unwahrscheinlich anzusehen“, sagte Staatsanwalt Andreas Thöne. Nach dem Urteil meinte er: „Es gab keine Alternative.“
Arnold zeigte sich nach dem Spruch zufrieden. Er hoffe, „dass Normalität eintritt.“ Der Zweiundfünfzigjährige kündigte an, „Fragen an das Land Hessen“ zu stellen, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Dabei könnte es um eine Entschädigung gehen. Sein Verteidiger Lierow sagte: „Eine größere Ohrfeige als diese für die Kammer des Landgerichts Darmstadt hat es in Deutschland noch nicht gegeben.“ Sein Mandant sei nicht aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden, sondern wegen erwiesener Unschuld.
Die Redaktion von Recht TV hilft Ihnen bei Ihrer Anwaltssuche. Schildern Sie uns einfach stichwortartig Ihr Problem oder Ihre Frage - wir nennen Ihnen im günstigsten Fall die Kontaktdaten von zwei Anwälten, die Ihren Kriterien entsprechen und die Sie telefonisch oder online ansprechen können. Einfach die Anfrage per mail zu uns senden. Unsere Mailanschrift: Recht-TV-Redaktion@gmx-topmail.de Kontakt: Telefon: 0209 - 88339422 Mail: Redaktion-Sachbearbeitung@gmx.de
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen